Check 1: Hangglider korrekt aufgebaut. Check 2: Hängetest. Check 3: Letzte Rundum-Kontrolle. Als wir kurz vom Absprung des 520m hohen Pedra Bonita Berges in Rio de Janeiro stehen sind wir froh, dass hier alles ultraprofessionell abläuft. Das war die letzten Tage nicht immer so.
Wir hatten einen etwas holprigen Auftakt in Rio. Port Elizabeth, Johannesburg, Sao Paulo und Rio war dann doch eine Verbindung zu viel für Latam. Naja, denken wir uns, zwar ärgerlich nach 24 Stunden Flug noch eine Stunde mit Formularen zu verbringen aber das Gepäck wird ja morgen geliefert. Gut, dass wir mehrere Tage in Rio geplant haben. Wir würden dann angerufen, wenn das Gepäck auftaucht. Als am nächsten Tag kein Anruf kommt und wir als einzige an der Copacabana mit langer Hose und Turnschuhen langgehen, ringen wir uns dazu durch uns eine Stunde in die Hotline zu hängen. Die gute Nachricht ist, unser Gepäck wurde in Sao Paulo gefunden und wird abends noch nach Rio geflogen. Sehr wahrscheinlich wird es dann noch vom Kurier vorbeigebracht. Hört sich gut an! Abends wird nichts geliefert und den nächsten Tag über auch nicht. Rio ist immerhin ein denkbar guter Ort, um sich mit Havaianas (<10 EUR) und Strandkleidung einzudecken. Aber es hilft ja nichts: Eine Stunde Latam Hotline, dann zur Gepäckabteilung durchstellen lassen und fragen wo unser Gepäck steckt. Die gute Nachricht ist, es ist seit gestern in Rio, die schlechte Nachricht, aus ‚bestimmten Gründen‘ kann es nicht geschickt werden. Zwei Stunden Uber, an drei Schaltern nachfragen und wir haben unsere Taschen wieder – der Status im Online Tracker ist bis heute auf ‚handed over to courier‘.
In Rio kann man es sich gutgehen lassen, es gilt das Motto, gut und viel. Für ein paar Real werden an der Copacabana frisch gemixte Caipirinhas in 700ml Bechern gereicht und man bekommt nichtmal Kopfschmerzen am nächsten Tag. Und da sind natürlich noch die Churascarias, ein Muss für jeden Fleischliebhaber. Wir entscheiden uns für das Churascaria Palace. Das Prinzip ist überall gleich einfach: Es gibt ein sehr reichhaltiges Buffet als Vorspeise und im Anschluss bringen ein halbes Dutzend Kellner im Akkord Fleischspieße an den Tisch und schneiden, wenn man sich nicht schnell genug wehrt, große Stücke davon ab. Das einzige Problem an dem Konzept: selbst wenn man es noch schafft sich mit dem Buffet zurückzuhalten, kann man kaum eines der schmackhaften Fleischstücke ablehnen und wird daher von seinem Favoriten keine zweite Runde schaffen. Der Espresso im Nachgang ist auf jeden Fall zwingend nötig.Ein weniger touristisches Erlebnis war das Curto Cafe, das in Rio Centro in einem schmucklosen Einkaufszentrum eine ganze Etage belegt. Wir stoßen durch Zufall darauf, da wir über Airbnb eine Kaffeetour einer lokalen Barrista gebucht haben, die hier endet. Das Curto ist um 20h voll mit Brasilianern die hier ihren Feierabend genießen. An dutzenden Stationen gibt es Pizza, Sandwiches, Käsehappen, Pralinen, Cocktails, Kühlschränke mit Bier und Kaltgetränke und eben auch Kaffeespezialitäten. Damit fing das von drei Jungs geführte Curto an. Das Besondere an ihrem Konzept war, dass man zahlte was man wollte oder konnte. Das hat so gut funktioniert, dass es heute zwar Preisschilder an den Stationen gibt, aber immer noch keine Kassierer. Wer etwas konsumiert bezahlt einfach selbst an einem der gut hundert Kartenlesern, die überall ausliegen. Wert eingeben, Karte rein, fertig. Es war erfrischend zu sehen, dass so ein Konzept so gut zu funktionieren scheint.
Der Zuckerhut ermöglicht mit den besten Blick auf Rio, das sich entlang der Küste und zahlreicher Strände schmiegt. Einen noch besseren Blick bekommt man nur an einem überdimesionalen Drachen hängend (Hangglider) in 500m Höhe. Vor wenigen Tagen wussten wir nicht einmal den Unterschied zwischen einem Paraglider und Hanglider. Jetzt, nach etwas googlen, ist klar: Wir wollen hanggliden. Hier hängt man liegend (und nicht wie beim Paraglider sitzend) am Drachen und fühlt sich ein bisschen wie Superman/woman. Außerdem ist dieser auch noch schneller. Einfache Entscheidung. Als wir die ersten Starts an der Startrampe auf dem Pedra Bonita beobachten, fühlen wir uns allerdings so gar nicht wie Superman. Eine grüne Holzrampe führt ins Nichts. Schlag auf Schlag rennen die Piloten, zum Teil mit Begleitung, über die Rampe und sinken mehrere Meter in die Tiefe bevor sie dann in einem Bogen wieder hoch kommen. Uns bleibt zum Glück nicht viel Zeit die Sache nochmals zu durchdenken. Wir starten mit einer Trockenübung: Linke Hand an Ricardos Schulter, rechte in die Schlaufe, Blick auf den Horizont, dreimal atmen und lostraben. Bueno. Fünf Minuten später wiederholt sich der Ablauf genau so und wir hängen jeweils an einem flatternden Drachen mit einem Piloten namens Ricardo und Blicken hunderte Meter in die Tiefe auf Brasilianischen Dschungel. Nach ein paar Minuten die der Drache ruhig durch die Luft gleitet und der erste Adrenalinstoß etwas nachlässt sehen wir die Christusstatue, den Zuckerhut, das Meer, Favelas und die Küste von Ipanema. Wahnsinn. Nach etwa zehn Minuten machen wir uns zur Landung bereit. Die Piloten klinken unsere linke Beinschlaufe aus (scheinbar ungefährlich), was dazu führt, dass wir plötzlich senkrecht in der Luft hängen. Darauf schiesst der Drache überraschend schnell in die Tiefe und wir stehen wieder sicher am Strand.
Eine Woche Rio und Brasilien ist definitiv zu wenig und wir werden wiederkommen. Vielleicht können wir dann auch das Mysterium lösen, warum in unserem Apartment immer genau einer der beiden Aufzüge gesperrt war. Egal – pura vida!