• Menu
  • Menu

Chile – vom Eis bis in die Wüste

Chile ist das Deutschland Südamerikas, erklärt uns ein weitgereister Engländer, den wir in Rio auf einer Kaffeetour kenngelernt haben. Als wir in Santiago in ein Uber ohne Kennzeichen steigen, mit der Bitte einer von uns solle sich nach vorne neben den Fahrer setzen damit wir wie normale Amigos aussehen, kommt uns Chile dann doch erstmal sehr südamerikanisch vor.

Aber es ist schon etwas an der Aussage dran: Im Zentrum Santiagos herrscht ein ruhiges, entspanntes Flair. Ein starker Kontrast zum hektischen, quirligen Rio. Außerdem lieben Chilenen Belege und stringente Abläufe. Egal ob man eine Flasche Wasser oder ein Busticket kauft – es gibt immer einen ordentlichen, briefmarkengroßen Beleg. In einer Bäckerei am Busbahnhof müssen wir erst eine Nummer ziehen, dann bestellen, dann an der Kasse bezahlen, um schließlich einen gestempelten Beleg gegen zwei Empanadas einzutauschen.

Unsere ersten beiden Stopps in Chile führen uns nach Santiago de Chile und Valparaíso. Beide Städte wirken auf den ersten Blick nicht so recht einladend, es wäre aber schade ihnen keine Chance zu geben. So sind wir froh, dass wir zwei Tage im schicken Providencia Santiagos verbringen können. In der entspannten Gegend gibt es Cafés mit schattigen Innenhöfen, einladende Bars und kleine Boutiqen. Auch kulinarisch überrascht uns Santiago. Empanadas und Grillteller hätten wir in Chile erwartet, nicht einen veganen Burger, der es mit der fleischigen Variante der Fetten Kuh locker aufnehmen kann. Serviert dazu gibt es im Verde Sazón raffinierte Varianten des Pisco Sour Klassikers – ebenfalls verde, grün.

Es gibt hier sicher noch viel zu entdecken, aber schon nach zwei Nächten steigen wir in einen Bus für die zweistündige Fahrt nach Valparaiso. Zehn Stunden später kommen wir dann dort an. Uns war nicht bewusst, dass der 8. Dezember in Cile ein wichtiger Feiertag ist (Inmaculada Concepción), an dem alle Chilenen unterwegs sind und der die ansonsten recht zuverlässige Infrastruktur ins absolute Chaos stürzt.

Die verblassende Schönheit Valparaísos lässt noch den Glanz vergangener Tage vermuten. Sie verströmt aber auch eine gewisse Traurigkeit. Vielleicht darüber, dass die einst stolze Seefahrerstadt nach der Eröffnung des Panamakanals stetig an Bedeutung verloren hat. Wenn man über unzählige Treppen und verwinkelte Gassen die Stadt erkundet merkt man schnell: Das Chaos hier hat System. Aber gepaart mit Kreativität, Leidenschaft und einem Hauch Rebellion. Immer wieder stoßen wir auf kleine Juwelen: Straßenkunst, schattige Plätze und Cafés mit Dachterrassen, von denen man den Blick über die bunten Hügel der Stadt schweifen lassen kann. Einer der Cafébesitzer hängt extra ein Schild mit der Distanz von Valparaiso nach Köln auf (12000km). Er möchte die Heimatstädte echter Besucher huldigen, nicht die bekanntesten Städte der Welt.

Noch mehr als die Städte beeindruckt uns aber die Natur Chiles. Egal ob im Patagonien im Süden, Pucon in der Mitte oder Atacama im Norden – überall fühlt man sich wie in einer ganz eigenen Welt. Als wir in Pucon aus dem Bus steigen, fühlen wir uns in ein Schweizer Dorf versetzt. Jedes Haus, jedes Schild, alles ist aus Holz. In den Restaurants wird rustikales Brot gereicht und Musik gepielt bei der wir uns wundern, ob sie aus dem Zillertal importiert und auf Spanisch neu vertont wurde. Wir erkunden die wunderschöne Umgebung des Lago Villarica mit Mountainbikes, übernachten in einer Hobbithöhle und entspannen in den schönsten Thermen Südamerikas (unsere Vermutung: der Welt).

Ein roter Holzsteg verbindet in den Termas Geometricas über ein Dutzend heiße Becken.  Aufsteigender Dampf und mannshohe Farne schaffen eine mystische Atmosphäre. Kleine Holzhütten zum Umkleiden passen sich perfekt in die über einen Kilometer lange Schlucht ein. Bis zu 42 Grad sind die Becken heiß, wir sind daher froh, dass es heute angenehm kühl ist. “No entrar – agua muy caliente” Schilder und mit Gittern gesicherte Becken lassen erahnen, wie heiß das Wasser aus dem Vulkan kommt. Am kleinen Café am Eingang brennt ein offenes Feuer und chilenische Familien essen Pizza. Mehr Entspannung geht nicht.

In Pucon ist das Wasser die Attraktion, in San Pedro de Atacama die extreme Trockenheit. Einige Gegenden der Atacama Wüste hatten über Jahrhunderte kein Regen. San Pedro ist ein staubiges Wüstenstädtchen mit einem einzigen schattigen Plaza von dem einige Straßen abgehen. In den aus Lehmziegeln erbauten Häusern drängen sich hunderte (wirklich) Touranbieter, die dazu einladen, die Atacamawüste zu erkunden. Trotz der vielen Touristen konnte sich San Pedro seinen Charme bewahren. Genauso stellt man sich den Ausgangsort für eine Wüstenerkundung vor.

Mit einem wüstentauglichen Wagen ausgestattet kann man in die bizarre Wüstenlandschaft eintauchen. Das Valle de la Luna, das mit seinen Felsformationen nicht von dieser Welt zu sein scheint, Wasserlöcher, die mitten in der Wüste nach stundenlangem Geholper wie aus dem nichts auftauchen, oder eine unwirkliches Geysirfeld auf über 4000 Meter Höhe. Und natürlich der schönste Sternenhimmel der Welt – es ist trocken, dunkel und die Luft so sauber, wie sonst nirgends.

Chile ist ein Land, in dem wir gerne und entspannt gereist sind. Hinter der Chilenisch-Bolivianischen Grenze mitten in der Wüste, an der die Grenzer ihre Wäsche hinter ihrem vollgestopften Schreibtisch aufgehängt haben, wartet drei Passierscheine später eine ganz andere Welt: Bolivien.